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DAS GLOBALE MAGAZIN FÜR DIE MITARBEITENDEN VON GF

© Tiago Coelho

Alte Liebe rostet nicht

Daniel Marchet, Sales Assistant bei GF Machining Solutions in Südbrasilien, war schon als Kind von Oldtimern fasziniert. Heute restauriert er sie und unternahm sogar mit einem alten VW-Bus eine lange Reise nach Patagonien. Sein Faible für Maschinen passt ausserdem perfekt zu Daniels Beruf.

Autofahren im Brasilien der 1980er- und 1990er-Jahre war abenteuerlich, vor allem im Landesinneren. Häufig sah man sechs oder sieben Menschen in einem Wagen, manchmal waren es sogar zehn, wenn Kinder dabei waren. Sie sassen im Kofferraum, die Heckklappe stand einfach offen – Sicherheitsgurte waren reine Dekoration. So erinnert sich der 38-jährige Daniel Marchet an die Reisen in seiner Kindheit.

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„Besonders die Besuche der Farm meines Grossvaters in Nova Milano waren abenteuerlich“, erinnert sich Daniel. Sein Grossvater holte die Familie immer in Caxias do Sul ab. Die 500’000­Einwohner-Stadt liegt etwa 110 Kilometer nördlich von Porto Alegre, der Hauptstadt des südlichsten Bundesstaats Brasiliens Rio Grande do Sul. Der Grossvater fuhr mit der Familie in die Kleinstadt Nova Milano im Bezirk Farroupilha, wo er an den Wochenenden eine Farm betrieb. Bei seinen Fahrten schaffte er es, alle sieben oder acht Familienmitglieder in seinem Marajó – eine brasilianische Version des Opel Kadett Caravan von General Motors – unterzubringen: Die Erwachsenen sassen vorne und mindestens zwei Kinder im Kofferraum.

Liebe zu fahrbaren Untersätzen

Daniels Interesse am Reparieren und Restaurieren von Oldtimern war schon vor dem Marajó aus den 1980er-Jahren geweckt worden. „Ich wurde in Ijuí geboren, einer Stadt im Inland von Rio Grande do Sul. Sie liegt rund 395 Kilometer von Porto Alegre entfernt und ist von der Landwirtschaft geprägt. Im Fernsehen sahen wir häufig Werbung für Traktoren und Mähdrescher. Meine Mutter scherzt heute noch, dass mein erstes Wort ‚Landwirtschaftsmaschine‘ gewesen sei“, sagt er. Auf seinem kleinen Anwesen reparierte Daniels Grossvater seine Traktoren selbst. Daniel sah ihm oft dabei zu und verliebte sich in die Technik, die diese Maschinen antrieb.

Als Jugendlicher, der noch nicht selbst fahren konnte, tobte er sich zunächst an Fahrrädern aus. Seine Freunde und er schraubten an ihren Drahteseln herum und bauten sie so zusammen, wie es ihnen gefiel. „Wir haben die Räder lackiert und bei uns zu Hause repariert“, erinnert er sich. Noch mehr als Fahrräder interessierten ihn allerdings Motoren. Im Alter von 15 Jahren begann er deshalb zu arbeiten und sparte für sein erstes eigenes Auto: einen VW Käfer, in Brasilien als „Fusca“ bekannt. Mit dem Käfer wuchs seine Leidenschaft für Autos und Motoren. „Ich traf mich zunächst mit anderen Käfer-Fans. Zusammen haben wir dann den örtlichen Käfer-Club „Caxias Fusca Clube‘“ gegründet. In der Nachbarschaft, in der ich mit meinen Eltern in Caxias do Sul lebte, fuhren alle unsere Freunde und Nachbarn einen Käfer. Wir haben die Autos immer selbst repariert, da Ersatzteile und Automechaniker nur schwer zu finden waren. Ich habe Stunden auf Schrottplätzen verbracht, um Ersatzteile zu finden“, so Daniel. Heute besitzt Daniel einen 1984er Ford F-100 Pick-up und einen VW-Bus, in Brasilien auch VW Kombi genannt, der zehn Jahre älter und sein derzeitiges Lieblingsauto ist.

Eine lange Liebesgeschichte
2004

2004

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In der Garage seines Vaters traf sich Daniel immer mit seinen Freunden. Eines Tages kaufte einer der Nachbarn einen VW-Bus T1. Daniel verliebte sich in dieses Auto.

2009

2009

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Sein Nachbar verkaufte den Bulli wieder, der neue Eigentümer wollte ihn zwar restaurieren, gab aber auf. Daniel ergriff seine Chance: Er kaufte

2009

2009

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Stück für Stück restaurierte Daniel den Bulli mithilfe seiner Freunde. Dann machten sie sich mit dem restaurierten T1 und einigen anderen Oldtimern auf den Weg nach Patagonien.

2020

2020

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Noch heute hegt und pflegt Daniel seinen VW-Bus. Nicht mehr in der Garage seines Vaters, sondern in der South Custom Garage, die er mit seinen Freunden gemietet hat.

Verbessern und erhalten

Nach jahrelanger Erfahrung ist Daniel in der Lage, selbst Ersatzteile anzufertigen, falls er in Brasilien oder im Ausland nichts Passendes findet. Jahrelang war die Garage seines Vaters Treffpunkt für Daniel und seine Freunde. Doch seitdem er geheiratet hat und ausgezogen ist, treffen sie sich in einer Werkstatt in Caxias do Sul, acht Kilometer von Daniels Zuhause entfernt.

Gemeinsam mit seinen Freunden, die ebenfalls ein Faible für Oldtimer haben, ist Daniel oft in dieser Werkstatt anzutreffen. Mit einer Fläche von rund 380 Quadratmetern bietet die Halle bis zu acht Autos und vielen Ersatzteilen Platz. Im Laufe der Zeit installierten Daniel und seine Freunde eine hydraulische Hebebühne, eine Lackierkabine und eine Lötanlage. „Die Werkstatt ist sehr professionell ausgestattet. Einer meiner Freunde aus dem Club, der hauptberuflich dort arbeitet, hat sie ‚South Custom Garage‘ getauft.“ Neben Autos und der anderen Ausrüstung sind dort auch zahlreiche Ersatzteile für Oldtimer untergebracht, wie etwa Gaspumpen und Felgen.

© Tiago Coelho

Daniel Marchet will Autos verbessern und dabei ihr Wesen erhalten. Seine grosse Leidenschaft lebt er in einer Autogarage zusammen mit Freunden.

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Daniel inmitten seiner Oldtimer-Lieblinge in der 380 Quadratmeter grossen South Custom Garage.

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Präzisionsarbeit: Daniel überprüft den Benzinfilter eines alten Ford F100 von 1984.

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Daniel verpasst dem Motor eines brasilianischen Muscle Cars ein ästhetisches Finish.

Das Herzstück: Daniel überprüft die elektrischen Verbindungen und die Oberflächenbeschaffenheit eines neuen V8-Motors.

Ohne Funktionstest verlässt kein Auto die Garage.

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Daniel Marchet liebt Klassiker, besonders gern arbeitet er am Chevrolet Opala 1974, einem brasilianischen Muscle Car.

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Daniels Oldtimer vor der South Custom Garage in Caxias do Sul (Brasilien).

Unter der Woche ist es ein professioneller Werkstattbetrieb, doch am Wochenende tüfteln Daniel und seine Freunde dort an neuen Ideen. Sie plaudern immer erst einmal, bevor sie mit dem Schrauben beginnen. „Wir tauschen uns über neue oder laufende Projekte aus, jeder von uns bringt Ideen ein, und dann legen wir los“, erklärt Daniel. „Was mir am meisten an der Werkstatt gefällt, ist die Zusammenarbeit unter uns Freunden“, fügt er hinzu. Meistens sind sie zu fünft in der Werkstatt, der Freundeskreis umfasst zehn. „Auch wenn wir parallel an Projekten arbeiten, helfen wir uns immer gegenseitig, geben einander Tipps oder scherzen miteinander – darin sind wir besonders gut“, so Daniel. Seine Kameraden, die dieselbe Leidenschaft teilen, und er verfolgen eine klare Mission: „Wir verbessern die Autos, möchten dabei aber das Wesen der Fahrzeuge erhalten.“ Die COVID-19-Pandemie, insbesondere der Lockdown, hatte die Situation 2020 eine Zeit lang verändert. Die Freunde arbeiteten bis Ende Juni 2020 nicht in der Garage. Inzwischen kommen sie wieder zusammen, tragen aber seitdem bei der gemeinsamen Arbeit eine Maske.

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Daniels Leidenschaft für Technik begann beim Schrauben an Zweirädern. Dadurch entfachte seine Liebe für Oldtimer.

Grosse Abenteuer auf Rädern

Obwohl Daniel noch immer sehr viel für seinen Käfer übrig hat, gilt seine grosse Liebe jetzt seinem VW-Bus. Das grösste Abenteuer mit dem Bus erlebte er im Jahr 2010. Daniel und seine Freunde vom Käfer-Club entschlossen sich zu einem Roadtrip nach Patagonien. Die Reise nannten sie „Fuscaustral“. Patagonien liegt zwischen Argentinien und Chile ganz im Süden Südamerikas und ist rund 1’600 Kilometer von Caxias do Sul entfernt. „Wir haben die Reise und die Logistik ein Jahr lang geplant.“

Der VW-Bus war nicht im perfekten Zustand, was Daniel aber erst während der Reise bemerkte. „Kurz hinter der brasilianisch-argentinischen Grenze ging ein Reifen kaputt. Das war aber nicht so schlimm, weil ich sechs Reifen dabeihatte.“ Nach 960 Kilometern tauchte das nächste Problem auf: Der Bulli kam mit dem in Argentinien üblichen reinen Benzin nicht zurecht – in Brasilien wird Benzin mit 27 Prozent Ethanol gemischt –, sodass er nicht anspringen wollte und Daniel den Motor auf der Strasse neu einstellen musste. Nach weiteren 1’930 Kilo­metern folgte der nächste Rückschlag: „Der Anlasser ging kaputt, und wir konnten kein Ersatzteil und keine andere Möglichkeit finden, ihn zu reparieren“, bedauert Daniel. So mussten die Freunde den VW-Bus während der gesamten Reise jedes Mal anschieben, um ihn zum Laufen zu bringen. Nach 23 Tagen und mehr als 9’600 Kilometern Fahrstrecke wieder zu Hause angekommen, wollte Daniel seinen Gefährten nicht einfach aufgeben. Ganz im Gegenteil. „Ich musste den Motor reparieren. Also entschied ich, gleich alles neu zu machen. Ich begann mit dem Fahrzeugboden und hatte mir vorgenommen, den gesamten Bulli neu aufzubauen“, erklärt er. Das letzte Abenteuer der Gruppe fand vor der Pandemie statt – im Januar 2020. Ihr Ziel war die Atacama-Wüste in Chile. Die Reise erhielt deshalb die Bezeichnung „Fuscatacama“. Diesmal blieb der VW-Bus zu Hause, und Daniel machte sich mit seinem F-100 auf den Weg.

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Die Oldtimer-Modelle stehen aufgereiht vor der Kulisse der Atacama-Wüste.
© privat
Daniel mit seinen Freunden aus der Garage bei ihrem Trip in die Atacama-Wüste im Januar 2020. Die Runde ist ein erprobtes Team. Gemeinsam unternahmen sie vor knapp elfJahren mit ihren Autos eine Reise nach Patagonien und legten dabei eine Strecke von 9’600 Kilometern in 23 Tagen zurück. Das schweisst zusammen.

Mit Vollgas in die Zukunft

In seinem Beruf ist Daniel genauso beharrlich. Er arbeitet seit mehr als zwölf Jahren bei GF Machining Solutions in Caxias do Sul und war im technischen Support für die Maschinen des Standorts zuständig. „Anders als am Standort São Paulo, wo jede Abteilung einen eigenen Spezialisten hatte, habe ich hier im Süden für alle Abteilungen gearbeitet und war ein vielseitig versierter Techniker.“ Dann drehte sich Daniels Karriere in die kaufmännische Richtung. Heute ist er Sales Assistant bei GF Machining Solutions Brasilien, und neben seiner Vollzeitstelle absolviert er in seiner Freizeit ein Jurastudium.

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Im GF Tech Center demonstriert er Kunden die neuesten Technologien.
© Tiago Coelho
Daniels Tag beginnt meist mit einer Fahrt zu Kunden oder in sein Büro. Genau wie in der South Custom Garage beim Schrauben ist Daniel auch in seinem Beruf sehr genau.

Daneben findet Daniel noch Zeit, um zusammen mit seinen Freunden alte Autos zu erhalten und umzubauen. Die Coronavirus-Pandemie hatte die Wochenendtreffen für einige Zeit auf Eis gelegt. In den ersten zwei Monaten des Jahres 2020 blieb die Werkstatt seines Freundes geschlossen, wenn auch der Besitzer hinter verschlossenen Türen weiterwerkelte. Die Arbeit im Homeoffice endete für Daniel schliesslich im Juni 2020. „Ich begann, wieder das Haus zu verlassen und Mut zu fassen. Ich kam an Samstagen wieder in die Werkstatt, um an meinen Autos zu basteln. Wir veranstalteten keine Barbecues oder Gruppentreffen mehr, aber wir arbeiteten wieder gemeinsam an unserem Hobby“, erzählt er in Erinnerung an die vergangenen Zeiten, in denen er in der Garage viel Spass mit seinen Freunden hatte und sie Chimarrão teilten – ein für Rio Grande do Sul typisches Heissgetränk. Jetzt wäre dies undenkbar, da dieses Getränk von Mund zu Mund gereicht wird. „Doch wenn die Zeiten hart sind, ist Freundschaft das, was zählt, und wir geniessen die gemeinsame Zeit“, versichert Daniel.

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