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DAS GLOBALE MAGAZIN FÜR DIE MITARBEITENDEN VON GF

© Algirdas Bakas

Auf der Überholspur

Um auf dem hart umkämpften chinesischen Markt zu bestehen, sind aufstrebende neue Elektroautohersteller wie Aiways auf das Know-how und die Effizienz ihrer Lieferanten angewiesen. Genau das bietet GF Casting Solutions.

Die COVID-19-Pandemie hat die Weltwirtschaft in eine Krise gestürzt – was Aiways jedoch nicht davon abgehalten hat, seinen elektrischen SUV auf den europäischen Markt zu bringen. Das Modell U5 war das erste und einzige chinesische Fahrzeug, das 2019 die Marktzulassung für die EU erhalten hat. Bis Ende September 2020 hatte das Unternehmen mehr als 500 Autos erfolgreich in die EU importiert – einen Grossteil davon nach Frankreich.

Aiways kam auf spektakulärem Weg nach Europa: Im Juli 2019 starteten zwei Prototypen des Modells U5 eine 53-tägige Testfahrt von der chinesischen Stadt Xi’an nach Frankfurt am Main (Deutschland), um an der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA teilzunehmen. Dabei legten sie ganze 15’000 Kilometer zurück – keine typische Strecke für eine Testfahrt, vor allem nicht für Elektroautos. Aiways stellte damit einen neuen Guinness-Weltrekord für die längste Fahrt eines Elektrofahrzeug-Prototyps auf. Die Strecke führte die Autos durch zwölf Länder und folgte der legendären Seidenstrasse.

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Zahlen & Fakten

Gründungsjahr AIways: 2017  
Beginn der Zusammenarbeit mit GF: 2017
Produktionskapazität des Aiways-Werks: 300’000 Fahrzeuge pro Jahr
Entwicklungszeit des U5 SUV: rund 30 Monate

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Aiways will den Markt für Elektrofahrzeuge erobern. Entsprechend selbst­bewusst präsentiert das Unter­nehmen den U5 an seinem Standort in Suzhou (China).
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Die Entwicklung von Elektroautos ist eine enorme Herausforderung. GF Casting Solutions hat Aiways im Bereich F&E zuverlässig unterstützt. Aufseiten von GF Casting Solutions waren Steffen Dekoj (links), Leiter F&E Asia, und Daniel Hu (rechts), Vertriebsleiter China, verantwortlich für die Zusammenarbeit.

Leichtbau-Komponenten

Hinter der herausragenden Leistung des SUVs stecken eine Reihe hochmoderner Technologien und Produkte. Dazu gehören sechs Leichtbau-Strukturbauteile von GF Casting Solutions. Dabei handelt es sich um zwei Federbeinstützen sowie jeweils zwei Torqueboxen im Front- und Heckbereich. In weniger als zwölf Monaten meisterten Ingenieure auf beiden Seiten unermüdlich zahlreiche Herausforderungen und schafften es letztendlich, die Komponenten erfolgreich zu entwickeln und zu testen. Bis Ende September 2020 fertigte GF Casting Solutions mehr als 1’400 Sets dieser Komponenten für Aiways. Diese Zahl stieg bis Ende 2020 auf mehr als 4’000. Aufgrund der standardisierten Fahrzeugplattform und dank der überzeugenden Produktqualität wird Aiways die gleichen GF Komponenten auch für das Modell U6 verwenden, welches dieses Jahr auf den Markt kommt.

Aiways wurde 2017 gegründet und ist ein neuer globaler, intelligenter Elektrofahrzeughersteller und Mobilitätsanbieter. Der U5 – das erste Fahrzeug des Herstellers – verfügt über ein Batteriesystem von 65 kWh und kann mit einer einzigen Aufladung eine Strecke von 460 Kilometern zurücklegen. „Den Verbrauchern kommt es bei neuen Elektrofahrzeugen vor allem auf die Reichweite an“, sagt Wang Dongchen, Chief Technology Officer bei Aiways. „Wir setzen deshalb auf Leichtbau-Design, um die Autos energieeffizienter zu machen.“

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Der U5, der seit 2019 auf dem Markt ist, ist 4,46 Meter lang, 1,88 Meter breit und 1,68 Meter hoch. Die GF Komponenten spielen für das Fahrzeug eine entscheidende Rolle: Aufgrund ihres geringen Gewichts weist der U5 eine hohe Energieeffizienz auf.

Erfolg trotz Schwierigkeiten

Damit die innovative Bauweise funktioniert, benötigt Aiways Unterstützung im Bereich Forschung & Entwicklung (F&E), um branchenweit einzigartige Strukturbauteile zu entwickeln. Anfangs war es schwer, Unterstützung zu finden, erinnert sich Wang: „Nur wenige Druckgusshersteller in China verfügen über die technologischen Fähigkeiten, um genau zu entwickeln und zu produzieren, was wir brauchen. Bei unserer Recherche fanden wir heraus, dass GF Casting Solutions in diesem Bereich führend ist und uns möglicherweise unterstützen kann.“

Aiways brauchte sechs Monate, um GF Casting Solutions als Partner auszuwählen. Bedenken gab es nicht wegen der Erfahrung des mehr als 200 Jahre alten Konzerns; die Frage war vielmehr, ob der Lieferant schnell genug ist: In der traditionellen Automobilbranche beträgt die Entwicklungszeit zwischen 24 und 48 Monaten, neue Elektroautohersteller schaffen das nun in weniger als der Hälfte der Zeit.

„Ich bin froh, dass GF und Aiways zusammen die Aufgaben fristgerecht erledigen konnten“, erklärt Wang. So haben beide beispielsweise erst die Produktionsverfahren geprüft, bevor die Bauweise überhaupt feststand. „Und wir schafften es, den Produktionsanlauf mit fünf Werkzeugen binnen fünf Monaten abzuschliessen – eine grosse Hilfe für den Debugging-Prozess unserer Fertigungslinie“, fügt Wang hinzu. Daniel Hu, Vertriebsleiter China bei GF Casting Solutions, stimmt zu: „Die Kommunikation verläuft absolut reibungslos, sodass wir schnell handeln und Entscheidungen treffen können.“

Im Gegensatz zu herkömmlichen Autobauern benötigen Hersteller von Elektrofahrzeugen in der Entwicklung viel mehr Unterstützung von Lieferanten, da sie vor neuen technischen Herausforderungen stehen. „Wenn man über genügend Ressourcen und F&E-Fähigkeiten verfügt, hat man definitiv einen grossen Vorteil gegenüber kostengünstigeren, reinen Druckgusslieferanten“, erklärt Steffen Dekoj, Leiter F&E Asien bei GF Casting Solutions. Für die Division arbeiten derzeit 18 Mitarbeitende im F&E-Zentrum Asien in Suzhou (China), das über ähnliche Fähigkeiten verfügt wie der F&E-Hauptsitz des Unternehmens in Schaffhausen (Schweiz), etwa in der giesstechnischen Simulation, Werkstoffprüfung und FEM-Berechnung (Finite-Elemente-Methode). FEM wird beispielsweise für Geräusch- und Vibrationsanalysen, Lebensdauerprognosen für Fahrzeugkomponenten und Unfallsimulationen in der Entwicklungsphase genutzt. „Die meiste Arbeit erledigen wir direkt in China, und wir können jederzeit im Hauptsitz in der Schweiz um Rat fragen und erhalten immer grossartige Unterstützung. Dadurch profitieren wir sowohl von dessen Geschwindigkeit als auch von dessen Know-how, was uns sehr hilft,“ sagt Steffen Dekoj.

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Im Hauptsitz von Aiways in Schanghai (China) arbeiten die Mitarbeitenden an etwas, das für das Unternehmen zentral ist: KI (Künstliche Intelligenz) ist auf dem Vormarsch.

Zeichen stehen auf Wachstum

Der Automobilsektor hat sich in China insgesamt abgekühlt, und die Pandemie hat den Markt geschwächt. Dennoch zählt das Land nach wie vor zu den am schnellsten wachsenden Märkten für neue Elektroautos. In der aktuellen Erholungsphase der Wirtschaft legen die Umsätze aus Elektroautos wieder kräftig zu. Laut der China Association of Automobile Manufacturers wurden allein im August 2020 mehr als 82’500 Autos verkauft, was einem Plus von 45 Prozent im Jahresvergleich entspricht.

In den vergangenen Jahren spielten staatliche Subventionen eine wichtige Rolle für das Wachstum des Markts. Jetzt, da die politischen Entscheidungsträger die finanzielle Unterstützung zurückfahren, wird die Branche wahrscheinlich in eine Konsolidierungsphase eintreten. Daniel Hu glaubt, dass China trotz dieses Gegenwinds weiterhin die Entwicklung von Elektroautos fördern und unterstützen wird, um Umwelt- und Energieproblemen entgegenzuwirken.

Laut einem Branchenleitfaden, den die führenden politischen Entscheidungsträger Chinas 2017 herausgegeben haben, werden im Jahr 2025 20 Prozent aller in China verkauften Neuwagen reine Elektroautos sein – das entspricht mindestens 4 Millionen Fahrzeugen pro Jahr und bedeutet, dass sich die Zahl aus dem Jahr 2018 mehr als verdoppeln wird. „Dies ist für uns eine wichtige Wachstumschance in den kommenden Jahren“, sagt Daniel Hu.

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Das F&E-Center von Aiways in Suzhou (China) hat ganz ähnliche Kompetenzen wie das F&E-Center im Hauptsitz von GF Casting Solutions in Schaffhausen (Schweiz). Die Mitarbeitenden führen Aufgaben wie giesstechnische Simulationen und Werkstoffprüfungen aus.
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Die Entwickler von Aiways haben offenbar auf ein äusserst hohes Mass an Fahrkomfort geachtet. Das kommt in zahlreichen Details zum Ausdruck, zum Beispiel in der anpassbaren Geschwindigkeitsregelung, im automatischen Abblenden der LED-Scheinwerfer, im Stauassistenten und im Parkassistenten.

„Ich schätze die Unterstützung sehr“

Wang Dongchen, Chief Technology Officer von Aiways, ist ein Veteran der Branche. Er war Leiter der F&E-Abteilung von FAW, einem der grössten chinesischen Automobilhersteller, bevor er im Dezember 2016 zu Aiways kam. Während seiner 27-jährigen Laufbahn war Wang verantwortlich für die Entwicklung zahlreicher populärer Fahrzeugmodelle in China. Hier erläutert er seine Ansichten zu neuen Elektroautos und zur Zusammenarbeit von Aiways und GF Casting Solutions.

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Was ist die Herausforderung bei der Entwicklung von Karosserien für neue Elektroautos?

Wir müssen mehrere Faktoren gleichwertig berücksichtigen. Das sind Sicherheit, Gewicht und Reparaturkosten. Aluminium-Druckguss ist eine grossartige Fertigungs­lösung, aber auch sehr kompliziert. Nicht viele Lieferanten sind in der Lage, die Produkte, die wir benötigen, innerhalb kürzester Zeit zu entwickeln.

Inwiefern unterstützt GF Casting Solutions Sie?

Was wir tun, ist so neu, dass selbst erfahrene Lieferanten bei der F&E intensiv mit uns zusammenarbeiten müssen. GF wurde bei der Herstellung dieser Komponenten in jede Phase einbezogen, vom Design über den Formenbau und die Formenerprobung bis hin zur Prüfung und Optimierung. Gemeinsam konnten wir alle Schwierigkeiten überwinden und die Aufgabe fristgerecht abschliessen.

Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit?

Zuerst war ich etwas skeptisch, ob ein globales Unternehmen wie GF viel Mühe in die Zusammenarbeit mit einem Start-up-Unternehmen wie unserem investieren kann. Ich war überrascht, wie reaktionsschnell, effizient und entgegenkommend die Teams von GF waren. Ich schätze die Unterstützung sehr, die wir im Rahmen dieses straffen Entwicklungszeitraums erhalten haben.

© AIWAYS
Die Karosserie des Aiways U5 besteht aus 52 Prozent Aluminium und 48 Prozent extrem hochfestem Stahl. Erleben Sie den U5 in diesem Video (AIWAYS - Digital Press Conference March 3rd 2020).

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